Durch einen glücklichen Zufall wurde die ARGE plötzlich zu einem angesehenen Player in der Wohnungslosenhilfe! Denn 1993 wurde ein leerstehendes Wohnhaus ausfindig gemacht: die „Geibelgasse“.

Die ARGE Wien trat mit dem klaren Konzept an, kein Konzept zu haben. In die Wohnungen aufgenommen wurden einfach die ersten, die kamen. Sie hatten nur zwei Bedingungen einzuhalten: Sie mussten die Miete bezahlen und sich so benehmen, dass es die Mitbewohner*innen aushalten konnten.

Das war eine völlig neue Art von Sozialarbeit. Es war spannend und funktionierte.

Die Geibelgasse war voll belegt. Einerseits sollten die Bewohner ausziehen und in eine sogenannte „Finalwohnung“ einziehen. Andererseits gab es zu wenig geeignete Wohnungen. Es entwickelte sich ein Ausleseverfahren, bei dem viele auf der Strecke blieben. 

Am deutlichsten formulierte es Klaus Resl, ein altbekannter Besucher vom Bahnhofssozialdienst: „Wir ziehen nicht aus! Wir fühlen uns hier wohl. Es ist unser Zuhause!“

Diese Worte haben den Nagel auf den Kopf getroffen, denn nicht selten werden in der Sozialarbeit „Betreuungsziele“ vorgegeben, die jenen der Klient*innen gar nicht entsprechen. Diese Wertvorstellungen in der Sozialarbeit orientieren sich nicht selten am jeweils eigenen mittelständischen Wertekanon der Sozialarbeiter*innen vom „Richtigen Leben“ und führen dann zu großen Missverständnissen. Lebensentwürfe sind unterschiedlich. Wie im Gesundheitswesen und im Rechtsbereich gilt auch für die Sozialarbeit der sattsam bekannte Spruch: Jeder ist Expert*in für das eigene Leben.

Zurück zur Geibelgasse: Die Aussiedelung der Langzeitbewohner*innen war absehbar, und ehestens musste ein neues Haus gefunden werden, in dem der Gemeinschaftscharakter des Wohnens fortgesetzt werden konnte. Es rauchten die Köpfe, lange Gesprächsrunden in der ARGE Wien fanden statt. Die Lösung war für Wien ein Novum: Ein neuer Typ von Wohnhaus nach holländischem Vorbild, das „Trinkerheim“!